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Auf Tauchgang

Voller Vorfreude hatte ich vor über sechs Monaten meine beiden Tauchscheine (PADI Open Water Diver & Adventure Diver) und mein Dive Log (Tauchtagebuch, mit Einträgen zu allen Tauchgängen, die ich bisher unternommen hatte) in den Rucksack geworfen.


In Dalyan war es dann endlich soweit, dass beides zum Einsatz kam, denn wir hatten einen Tauchtag geplant. Für Lutz würde es der erste Tauchgang seines Lebens werden und ich stellte mit Blick auf meinen Dive Log fest, dass mein 20. Tauchgang kurz bevor stand. 20 Tauchgänge, das ist wirklich nicht viel, und meine letzte Erfahrung lag auch schon sechs Jahre zurück, daher war mir klar, dass ich mich zunächst einmal mit einem Tauchlehrer und Lutz zu einem Probetauchgang in wenigen Metern Tiefe begeben, dort vielleicht ein paar Übungen machen würde, anschließend vielleicht noch eine kleine Runde drehen, und fertig.


Und dann kam es ganz anders


Auf dem Boot, das sich wie alle anderen Ausflugsboote den Fluss entlang durch den Schilfgürtel zum Meer hindurch arbeitete, stellte ich fest, dass ich mich kaum noch erinnerte, wie die Ausrüstung zusammengebaut wurde. Vor einem Tauchgang befestigt der Profi seine Tarierweste an der Tauchflasche, montiert die sogenannte erste Stufe mit sämtlichen Reglern ebenfalls an der Flasche, überprüft den Füllstatus der Flasche und ob alle Geräte (Finimeter, Tiefenmesser, Inflator, Atemregler und Reserve-Atemregler) auch korrekt funktionieren. Der Profi springt dann rasch in seinen Neoprenanzug und weiß, wieviel Kilo Blei er sich noch umbinden muss, um dem Auftrieb von Anzug und Weste entgegenzuwirken. Flossen und Maske an – und los geht´s.



Nicht ganz so flott war ich nach den vielen Jahren Pause. An der Montage meiner Ausrüstung laborierte ich eine ganze Weile herum und war sehr dankbar für den prüfenden Blick der Tauchlehrerin an Bord. Mein darauf folgender Kampf mit den Neoprenanzügen ist nur als entwürdigend zu beschreiben. Meine Physiognomie steht mit dem Schnitt dieser Anzüge auf Kriegsfuß. Mich anzuziehen ist da ein ähnliches Unterfangen wie ein Schlauchwechsel beim Fahrrad, zwei der Anzüge bekam ich nicht einmal bis zum Knie hoch. Neo Nr. 3 passte schlussendlich und nachdem Lutz noch eine Einführung in das erhalten hatte, was gleich passieren würde, sprangen wir zwei mit einem Tauchlehrer ins Wasser.



Da Lutz zuvor noch nie getaucht war, wurde von ihm nicht erwartet, dass er seine Tarierung, also seine ausgeglichene Lage im Wasser selbst regulieren würde. Der Lehrer würde das für ihn tun, und ihn auf dem kompletten Tauchgang nicht aus den Augen lassen. Ich sollte mich an die beiden halten und ihnen folgen. Man wollte dann beurteilen, ob man mir noch etwas ambitioniertere Dinge zutrauen könnte.


Kaum waren wir allerdings abgetaucht, erschien an meiner Seite ein weiterer Tauchlehrer aus dem Team. Murat, ein gemütlicher Türke mit einem ordentlichen Fässle, seines Zeichens ehemaliger Marinetaucher, hatte offenbar, nachdem er mich ein, zwei Minuten unter Wasser gesehen hatte, beschlossen, mich auf ein Abenteuer mitzunehmen. Er bedeutete mir, mitzukommen, und wir ließen Lutz und seinen Begleiter rasch hinter uns und glitten knapp über dem Meeresgrund zügig voran, in 3, dann 6, dann 9 und dann 12 Metern Tiefe.


Gleich hat Murat mich eingeholt und führt mich fort von Lutz, der sich hier blendend macht

Ich stellte mich freudiger Überraschung fest, dass ich mit der Ausrüstung bei diesem ersten Tauchgang nach sechs Jahren zwar gut beschäftigt war, aber damit auch noch erstaunlich gut zurecht kam. An Land fühlt man sich mit all den Geräten immer behangen wie ein Christbaum; Flossen, Weste und Bleigurt machen einen agil wie einen 90jährigen. Zusammen wiegt die komplette Ausrüstung um die 20 kg.


Unter Wasser erfüllt aber alles seinen Zweck, man fühlt das Gewicht nicht mehr und im besten Fall führt man die nötigen Handgriffe zur Austarierung der Weste ohne Nachzudenken aus und kann sich voll und ganz auf die Unterwasserlandschaft um einen herum konzentrieren. Ich war in Gedanken noch etwas mit mir und meinen Ventilen beschäftigt, denn ich wollte nun auf keinen Fall bleischwer zu Boden sinken, oder wie ein Korken aus der Flasche nach oben schießen, da drehte sich Murat zu mir um und gab mir das Zeichen „abtauchen“. Abtauchen? Wir waren in 12 Metern Tiefe und schwebten knapp über dem Boden – wohin sollten wir da abtauchen? Dann war ich über der Kante.


The wall


Dieser Tauchspot in der Bozburun Bucht bei Dalyan heißt „the wall“, weil man hier an einer senkrechten Wand in die Tiefe tauchen kann, angeblich geht es 60 Meter steil hinab. Ich blicke an dieser natürlichen Wand hinunter und sehe nur schwarz, kein Boden in Sicht, nur diese steile, dicht bewachsene Felswand und darunter das Nichts. Das Gefühl, nun mit dem ganzen Körper vertikal abzukippen und mit dem Kopf voraus in diese Schwärze abzutauchen ist surreal und kaum zu beschreiben. Wie ein Gänsehautmoment im 3D-Kino, wie ein Computerspiel, dessen Animation leichte Übelkeit erzeugt oder eine Achterbahn, die vom höchsten Punkt des Parcours hinunterstürzt, nur alles ohne das dazugehörige Gefühl der Schwerkraft. Unter Wasser gleitet man langsam und schwerelos in dieses Nichts hinein.


Ich sehe Fischschwärme, die sich an die Wand ducken, Seeigel mit kleinen Körpern und furchtbar langen Stacheln, Feuerfische, Schwämme und lustige Röhrenwürmer, die mir ihre fächerförmigen Tentakeln entgegen strecken. Mein Tiefenmesser sagt mir, dass wir schon 25 Meter unter der Wasseroberfläche sind, und Murat ist immer noch am Sinken. Ich gebe das Nachsehen auf und folge ihm einfach, fasziniert von dieser lebhaften vertikalen Welt an meiner rechten Seite, während sich links von mir das Meer nur endlos schwarz und unergründlich erstreckt.


Nach dem Auftauchen musste ich gleich allen voller Begeisterung das Erlebte erzählen, während Murat eine kleine Abreibung erhielt. Ich hatte hier nur meinen Open Water Diver – Tauchschein gezeigt, mit dem ich offiziell bis 18 Meter Tiefe abtauchen darf. Wir waren gerade sicher auf 30 Metern unter Wasser gewesen und man fand Murat wohl etwas tollkühn. Ich hatte mit dieser Tiefe allerdings zuvor schon mehrfach Erfahrung gesammelt, mein „Adventure Diver“, der allerdings kein vollwertiger „Advanced Open Water Diver“ ist, hatte einen Tieftauchgang beinhaltet und auch danach war ich immer wieder mal in dieser Tiefe unterwegs gewesen. Und Abreibung hin und her, beim zweiten Tauchgang des Tages nahm man mich entspannt noch einmal auf 25 Meter mit.


Lutz genießt schon die Sonne an Deck, als ich zurückkomme. Rechts: mit Murat nach "the wall".


Lutz down under


Der einzige Nachteil meines fantastischen Fluges entlang der Felswand war, dass ich Lutz nicht auf seinem ersten Tauchgang begleiten konnte. Zu gerne hätte ich gesehen, wie er sich so schlägt. Immerhin machte sein Begleiter einige Bilder und Videos von ihm, so dass ich im Nachhinein feststellen konnte, dass er recht entspannt unterwegs gewesen war. Beim Tauchen ist das ein klares Qualitätskriterium, denn wer wild paddelt oder Geschwindigkeitsrekorde aufstellen möchte, der hat bald keine Luft mehr in der Flasche und muss auftauchen. Lutz machte also einen entspannten Unterwasserspaziergang durch die Bucht und fand das Erlebte hinterher ganz schön. Aber so richtig enthusiastisch wirkte er nicht.



Im Anschluss reflektierte er seine fehlende Begeisterung und stellte fest, dass er immer nur bei Sportarten, in denen Geschwindigkeit eine Rolle spielt, richtig aufblüht. Fürs Leben geprägt vom Fallschirmspringen und Basejumpen? Noch mehr Beschleunigung kann ein Körper jedenfalls bei keiner nicht motorisierten Sportart erfahren. Was die Wassersportarten angeht, haben Surfen und Wakeboarden immerhin seine Gnade gefunden. Tauchen allerdings verlangt eher nach Entschleunigung: langsam bewegen, langsam atmen, Ruhe bewahren. Je weniger Aufregung, desto besser, je geringer der Muskeltonus, desto länger reicht die Luft, um in entspannter Kontemplation herumzuwabern. Na gut, wabere ich also zunächst einmal alleine weiter herum.


Wracktauchen bei Kemer


Knapp eine Woche später ergab sich für mich erneut die Gelegenheit tauchen zu gehen, diesmal an der Küste vor Kemer. Mit einem zweistöckigen Boot fahren wir aus der Marina heraus und lassen den maßlos touristischen Ort rasch hinter uns. Während ich unten schon mit etwas mehr Sachverstand meine Ausrüstung zusammenbaue, sitzt Lutz auf dem Dach des Bootes über mir und lässt sich den Fahrtwind ins Gesicht wehen. Ich freue mich sehr, dass er wieder mit dabei ist, auch wenn er nicht tauchen gehen wird, sondern einfach die Zeit auf dem Boot genießt und immer wieder mal zum Schwimmen und Schnorcheln ins Wasser springen wird.


Wir lassen Kemer zurück

Wie jede vernünftige Tauchschule will „Diving Kemer“ auch erst einmal mein Können in einem Probetauchgang einschätzen. Mit Olga, einer lustigen Estländerin, die aussieht wie 40, aber schon über 60 Jahre alt ist, geht es auf eine Erkundungstour in einer sehr abwechslungsreichen Bucht nahe Kemer. Hier ist der Meeresboden durchsetzt von kleinen Höhlen und Tunneln in 10 bis 20 Metern Tiefe, in die wir hineinblicken, durch die wir aber auch bald schon hindurchtauchen - etwas, das ich noch nie getan habe.


Olga taucht voraus und ich folge ihr, hinein in kleine, enge tunnelartige Höhlen, die sich winden und deren Ausgang man zu Beginn noch nicht sehen kann. Mit der Taschenlampe leuchtet sie die Wände der Höhle an, wo sich bunte Gewächse in der Strömung wiegen und Fische uns mit starrem Blick anglotzen, während sie sich, durch unsere Anwesenheit wohl etwas verwirrt, eng an den Fels drücken.


Ich achte angestrengt darauf, jetzt am besten nichts anzufassen, und wenn es aufgrund der Enge doch nicht anders geht, am besten in keinen der hier zahlreichen Seeigel hineinzufassen. Wir winden uns hinauf und hinunter, tauchen durch Öffnungen in Höhlendächer hinein und andernorts wieder hinaus, schwimmen durch enge Felsrinnen und passieren kleine Tore in einem veritablen natürlichen Unterwasserspielplatz. Hier durchgängig korrekt tariert zu sein, nach Möglichkeit nichts anzufassen, nichts mit dem Körper oder den Flossen zu streifen, um nichts zu zerstören und sich auch nicht zu verhaken oder verletzen, erfordert meine ganze Aufmerksamkeit. Und es macht unglaublich viel Spaß.


Unser erster Tauchplatz
Ich komme fröhlich mit Olga (Mitte) vom ersten Tauchgang zurück

Ich weiß es natürlich noch nicht, aber Olga bereitet mich hier schon vor auf den zweiten Tauchgang dieses Tages vor, bei dem all diese Fähigkeiten erneut zum Einsatz kommen werden, und der der bisher großartigste Tauchgang meines Lebens werden wird.


Das Wrack der Paris II


Der Inhaber der Tauchschule heißt Philip Bekaert und ist ein gutgelaunter Belgier, der dank seiner türkischen Frau seinen Lebensmittelpunkt an die türkische Riviera verlegt hat. Nach einer kurzen Absprache mit Olga entscheidet er, dass er mich mitnehmen möchte zum Wrack der im Ersten Weltkrieg versenkten Paris II. Dieses Schiff der französischen Marine wurde im Dezember 1917 von türkischem Artilleriefeuer nur 1,5 km vor der Küste von Kemer versenkt und liegt daher in tauchfreundlichen 25-30 Metern Tiefe.


Erst noch ein kleiner Fototermin, dann geht es hinunter zum Wrack der Paris II


Die Besatzung, 17 französischen Marinesoldaten sollen seinerzeit übrigens alle überlebt haben. Die Türken zogen sie aus dem Meer, das im Dezember sicher nicht so angenehm erfrischend war wie bei unserem Besuch im Mai. Man gab ihnen trockene Kleidung und brachte sie bis Kriegsende in Kemer unter (Philip scherzte mit Blick auf die Küste „Hier im Club Med.“ – der steht heute nahe der Abschussstelle.) In der Zeit der Gefangenschaft soll sich der französische Kapitän mit dem türkischen Leutnant, der sein Schiff abgeschossen hatte, angefreundet haben und ihm bei Kriegsende seinen Hund als Zeichen seiner Freundschaft hinterlassen haben.


Paris II, noch über Wasser

Mitten in der Bucht hält also das Tauchboot an und an macht fest an einer Boie, die knapp unter der Wasseroberfläche den Standort der Paris II markiert. Am Seil der Boie geht es hinunter zum Wrack, ich folge nun Philip und hangle mich langsam hinab in die grünliche Tiefe. Zunächst sieht man erst einmal nichts, nur Schwärze unter uns und kleine Schwebteilchen im Wasser. Ab 20 Metern wird es abrupt kälter, hier muss eine Grenze zwischen zwei Wasserschichten sein, und plötzlich sieht man das Schiffswrack dort in der Tiefe. Bräunlich verrosteter Stahl, von allerhand graugrünem Bewuchs fast gänzlich überwuchert, liegt das Wrack ganz ruhig und aufrecht auf dem sandigen Meeresgrund.


Alle Bilder von www.ww2wrecks.com

Das Seil der Boie ist direkt an seinem Bug befestigt und leitet uns an Deck. Die Dimensionen des ehemaligen Kriegsschiffs sind erstaunlich, 65 Meter lang und 15 Meter breit liegt es hier nun ganz friedlich vor uns im wabernden Grün der Tiefe. Ich lasse das Seil los und gleite knapp über dem Deck entlang, mühelos, schwerelos, in tiefer Ruhe.


Eine merkwürdige Art ein Schiff zu betrachten, so über dem Deck schwebend. Munition liegt hier noch herum, ein paar zugewucherte Bomben, die glücklicherweise nicht mehr zum Einsatz kamen, daneben unzählige Kohlebriketts, auch der Dampfkessel ist noch gut zu erkennen. Ein paar Kacheln am Boden zeigen wohl den Ort an, wo sich einmal die Kombüse befunden hat. Sämtliche hölzerne Aufbauten auf Deck sind aber nach mehr als 100 Jahren in Salzwasser und Strömung verschwunden.




Interessanterweise sind auch die zwei Kanonen, die sich einmal auf Deck befunden haben, fort, von einer ist noch der Drehsitz zu bewundern. Wer holt wohl tonnenschwere Kanonen aus 25 Metern Tiefe? Wir tauchen um das Schiff herum, an der dem Land zugewandten Seite sieht man die Einschusslöcher der Artillerie. Fische schwimmen hindurch ins Innere des Schiffes. Auf dem Meeresgrund vor dem Bug knien wir uns kurz hin und legen den Kopf in den Nacken: eindrucksvoll ragt der Bug hier 6 Meter hoch vor uns auf, darüber wieder: Nichts. Von hier unten kann man die Meeresoberfläche über uns noch nicht einmal erahnen.


Unter Deck


Mühelos tauchen wir nun an der anderen Seite des Schiffs wieder hinauf und gelangen an Deck, wo ein träger Feuerfisch auf Beute lauert. Philip taucht an ihm vorbei und signalisiert mir dann, was er vorhat. Vor uns öffnet sich ein etwa ein Meter breiter Korridor ins Innere des Schiffes, Wände und Böden sind verschwunden, doch der Korridor ist noch vom Eisengerüst begrenzt und klar erkennbar. Philip wird hineintauchen und ich soll ihm folgen. Unter Wasser kann man sich bekanntlich nicht unterhalten, umso weniger kann man über etwas diskutieren. Philip verschwindet in dem engen Korridor und ich zögere noch etwas. Seine Flossen verschwinden in der Dunkelheit, jetzt ist er weg, vor mir liegt nur noch der schmale Eingang des Korridors und dahinter schwarzgrüne Unbestimmtheit.


Nachdem ich mich kurz gesammelt habe, schwimme ich langsam in den Korridor hinein. Es wird dunkel um mich und ich achte konzentriert darauf, in der Mitte des Ganges zu bleiben und nichts zu berühren. Nach nur wenigen Sekunden sehe ich dann Philip wieder, der in einem etwas größeren Raum am Ende des Korridors auf mich wartet. Dann zeigt er nach oben und verschwindet kurz darauf durch die Decke.


Ich bin völlig fasziniert von den Möglichkeiten, hier unter Wasser dieses Schiff aus allen Blickwinkeln zu betrachten und dann auch noch zu durchtauchen, durch den Eingang hinein und durch eine Luke in der Decke hinaus. Die Luke sehe ich nun klar, von oben fällt Licht in den kleinen Raum unter Deck. Ich strecke meine Hände aus und paddle vorsichtig nach oben, hinaus aus dem Schiff.



Diesem kleinen Ausflug unter Deck folgt rasch ein zweiter, denn wir tauchen in den ehemaligen Lagerraum des Wracks hinein, hier muss man sich noch etwas vorsichtiger zwischen Eisenstreben hindurchwinden, um in den etwas großzügigeren Raum am Bug des Schiffes zu gelangen. Ein paar Seeigel motivieren zusätzlich dazu, sich hier nicht an irgendwelchen Strukturen festzuhalten. Ein völlig zugerostetes Bullauge hat noch Fensterglas, lässt sich aber schon lange nicht mehr öffnen. Es ist aber auch nicht nötig durch ein Bullauge hinauszuschwimmen, das Oberdeck bietet hier zahlreiche Öffnungen, durch die wir leicht wieder nach oben steigen können.


Philip gleitet elegant voraus und ich hinterher, aber – klonk – ich bleibe unten. Meine erste Stufe, also die Stelle, an der die diversen Schläuche über ein Ventil mit der Tauchflasche verbunden sind, ist an einer Eisenstrebe hängen geblieben. Da habe ich die Größe meiner Ausrüstung also etwas unterschätzt. Eigentlich wäre jetzt ein guter Moment, um Panik zu bekommen, hektisch herumzustrampeln und vielleicht noch ein Ausrüstungsstück am rostigen Eisen zu beschädigen. Ich erwäge kurz diese Möglichkeit und entscheide mich dann dafür, einfach wieder ein Stück in den Lagerraum hinein abzusinken. Dann orientiere ich mich erneut zu der Öffnung in der Decke hin, paddle sanft nach oben – und bin ohne Probleme wieder über Deck.


Am Schriftzug „Paris“ vorbei schwimmen wir nun wieder vor zum Seil am Bug des Schiffes, wir waren 30 Minuten unten beim Wrack, mein Tank ist halb leer, es ist Zeit aufzutauchen. Langsam steigen wir wieder am Seil hinauf zur Boie, ein Feuerfisch schaut uns gelangweilt nach, das Schiff verschwimmt und verschwindet schließlich wieder im trüben Dunkelgrün.


Ich merke plötzlich, dass ich friere. Beim Wrack unten war ich viel zu aufgeregt, um die Kälte wahrzunehmen, jetzt muss ich zittern. Zum Glück durchstoßen wir bald schon die Temperaturgrenze auf etwa 20 Metern, es wird schlagartig wärmer, dafür ist das Schiff allerdings verschwunden. Auf den Dekompressionspausen auf dem Weg nach oben dümple ich am Seil herum und starre in das trübe Wasser. Kein Wunder, dass das Wrack erst 1995 rein zufällig gefunden wurde. Nur wenige Meter über dem Schiff ist davon nicht einmal etwas zu erahnen.


Nach nur 5 Minuten Fahrt legen wir am Ende wieder im Hafen von Kemer an, viel zu schnell um das Erlebte zu verarbeiten. Wie viele Wracks hier wohl noch unentdeckt vor der Küste liegen? Und ob ich noch einmal zu einem von ihnen tauchen werde? Ich hoffe es doch!


Erinnert Ihr Euch an das Foto vor dem Abtauchen? Damit werbe ich jetzt für "Diving Kemer" auf Google. Soll mir recht sein, es war super mit Philip und Team.

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