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Greece is bliss


Beim Joggen gesichtet: Akropolis bei Sonnenuntergang

Ich muss mich outen, auch wenn die Liebhaber Süditaliens nun gekränkt sein mögen: Neapel ging mir auf die Nerven.


Neapel nervt


Schon in Rom hatten wir es bekanntlich mit Pracht und Krach zu tun. In Neapel blieb davon dann nur noch der Krach übrig. Der Krach ist omnipräsent in Form von Sirenen von Polizei und Krankenwagen, die endlos durch die Straßen schallen, in hupenden Autos, röhrenden Motorrädern, scheppernden Bussen, im Fräsen und Bohren unzähliger Baustellen, lauter Musik aus Bars und Restaurants, in bellenden Hunden, schreienden Kindern, lauten Unterhaltungen und in noch lauteren Handytelefonaten, die die allgemeine Kakophonie noch übertönen wollen. Die Pracht mag sich verbergen in den Palazzi, Museen und Kapellen der Stadt, wir jedoch zogen durch Straßen und Ämter und das war ernüchternd.


Man bewegt sich zwischen Bergen von Abfällen durch enge, dunkle Straßenschluchten und muss immer auf der Hut sein, denn um jede Ecke kann ein Auto oder Motorrad biegen, aus dem Tor kann es hervorschießen und einen erfassen. Der oder die Fahrerin ist grundsätzlich gerade dabei am Handy zu telefonieren und kann daher nicht mit der ganzen Aufmerksamkeit auf ihre Umgebung achten. Durch Neapel spazieren zu gehen erinnert an einen immersiven Ego Shooter, bei dem man gänzlich unbewaffnet durch ein chaotisches Straßennetz navigieren muss, in dem es alle anderen Verkehrsteilnehmer auf einen abgesehen haben. Die Jünger der neuen Achtsamkeitskultur dürfen nun aufhorchen, denn in Neapel lebt man ganz im Moment, ist ganz bei sich und seiner unmittelbaren Umgebung. Wer dies nicht beherzigt, lebt einfach nicht lang.



Was wir in Neapel nicht gesehen haben: Blinde, Gehbehinderte und die Müllabfuhr. Erstere vermutlich ein Opfer natürlicher Auslese, letztere hätten wir gerne gesehen, aber in einer Woche Neapel waren sie kein einziges Mal aktiv. Immerhin stinkt der Müll Ende Dezember/Anfang Januar sicher weniger als im Hochsommer. Dank der italienischen Tierliebe war die Tretminendichte allerdings so hoch, dass sich aus Müll und Exkrement schon eine bräunlich-körnige Schicht auf den Pflastersteinen gebildet hatte, die bei Regen in zähen Flüssen langsam in die Hauseingänge sickerte.


Bedingt durch unsere Bemühungen um den Booster hatten wir dann leider auch meist unangenehme Begegnungen mit den Einheimischen. Wenn wir nicht gerade direkt abgewiesen wurden, dann versorgte man uns mit Informationen, die stets beinhalteten, dass wir gerade hier an der falschen Stelle wären und uns an eine andere wenden müssten. Diese Auskunft stellte sich im Nachhinein dann ohne Ausnahme als falsch heraus. Am Telefon wurde nach der Frage, ob man Englisch sprechen könnte, oftmals direkt aufgelegt. Die einzige Person, die Mitleid mit uns hatte und uns gerne helfen wollte war selbst eine in Neapel ansässige Ausländerin. So entstand bei uns das Gefühl, man wolle uns im Prinzip einfach gerne loswerden. Wäre unser Ziel gewesen, in Neapel schön Pizza zu essen und ein paar Kulturschätze zu besichtigen, dann würde das Fazit hier sehr anders lauten.


So jedoch entsprachen wir dem Wunsch der Neapolitaner am Ende dann recht gerne und machten uns schnellstmöglich davon. Weniger als 48 Stunden nach dem Impfdebakel bei den äußerst unbarmherzigen Mitarbeitern der Santissima Annunziata setzte unsere Maschine am Flughafen von Athen auf.


Das Motto der Airline: Greece is bliss. Und so war es auch.


Aus einem lauten, stinkenden, überbevölkerten Moloch wurden wir entrückt an einen Ort des Friedens und der Entspannung. Unser Entrücker Themis, der herzensgute Fahrer des Flughafentransfers, brachte uns in weniger als 30 Minuten vom Flughafen Athen nicht nur vor die Türe unserer Unterkunft, sondern direkt hinein in die Wohnung, wo wir ansichtig des tiefblauen Meeres unter dem Balkon direkt in Verzückung gerieten. Und, oh Wunder, keine Sirenen, kein Gehupe, kein Geschrei. Stattdessen: Wellenrauschen, ein leichter Wind und – nichts. Stille.



Über den Aufenthaltsort unserer ersten zwei Tage in Griechenland, Artemis, lässt sich nicht viel mehr sagen. Es war schön und es war still und das tat uns unendlich gut. Wir verbrachten die Zeit mit Strandspaziergängen, aßen eine Menge Souvlaki und starrten auf das Meer.



Im Anschluss fühlten wir uns wieder bereit für eine Großstadt und fuhren nach Athen. Mit dem Bus übrigens und schwarz. Unsere Affinität zu öffentlichen Verkehrsmitteln ist größer als unsere Fähigkeit, geltende Tarifbestimmungen und die Modalitäten des Erwerbs von Fahrscheinen zu durchschauen. Jedes Verkehrssystem ist etwas anders und da wir alle paar Tage in neuen Städten unterwegs sind, müssen wir die jeweils neuen Regelungen erst einmal kennenlernen. Kauft man Tickets an einem Schalter, einem Automaten, im Zeitschriftenladen oder im Verkehrsmittel selbst? Auch bei diesem Bus nach Athen war es mal wieder nicht offensichtlich und so stiegen wir ein und ich gab tapfer den einen Satz wieder, den ich in den Minuten zuvor auf Griechisch auswendig gelernt hatte: Zwei Tickets nach Athen bitte! Selbstverständlich verstand ich die Antwort des Busfahrers nicht, denn ich verstehe ja leider noch gar kein Griechisch außer Danke und Bitte. Aber die Geste war klar: Geht nach hinten durch und setzt Euch. Der Fahrer verkaufte nicht nur keine Tickets, man hätte sich ihm nicht einmal nähern sollen, denn der vordere Teil des Busses war mit Flatterband abgesperrt. Ich wand mich mit meinem großen Rucksack unter dem Flatterband durch und wir setzten uns in die letzte Busreihe um unbehelligt gemütlich und schwarz nach Athen zu schaukeln.


Athen – was für eine tolle Stadt!


Athen hätte alle Voraussetzungen für einen Moloch, denn die Stadt ist riesig groß, es wohnen ein Drittel aller Griechen dort und das Land hat zuletzt eine schwere Wirtschaftskrise durchgemacht. Aber was wir in unserer Zeit in der (Innen)stadt erlebten war das genaue Gegenteil: es war ruhig, friedlich, sauber und wunderschön. Der Innenstadtkern ist weitgehend autofrei, also kann man entspannt durch die hübschen Sträßchen bummeln. Die wirklich beeindruckenden Überreste der antiken Bebauung sind in weitläufigen Parks eingebettet, so dass die Innenstadt besonders grün und Fußgänger- wie joggerfreundlich ist. So kann man beispielsweise einmal um die Akropolis, also den Burgberg laufen, der u.a. den Parthenon trägt, ohne auch nur einmal an einer befahrenen Straße halten zu müssen. Mehrere Hügel im Stadtgebiet ermöglichen dann immer wieder fantastische Blicke auf die Akropolis von allen Seiten, ohnehin ist die Stadt durchsetzt von antiken Gebäuden, also ein Eldorado für Liebhaber alter Steinhaufen, so wie Lutz und ich es sind.



Ansonsten gab es überall Bars mit Dachterrassen, leckere Pita auf die Hand, Trödelläden, Häuser in Pastellfarben, Katzen, Hipstercafés und Museen. Fazit nach zwei Tagen: wir kommen wieder und nehmen uns eine Woche Zeit, um das alles in gebührender Sorgfalt zu erforschen.


Der Pilion


Zunächst aber reisten wir nach kurzer Zeit schon weiter gen Norden nach Volos und wurden von dort ins endgültige Paradies entrückt. Eine Landschaft, von der vermutlich noch kaum jemand gehört hat, und die auch im tiefsten Winter so herrlich ist, dass es kracht, das ist der Pilion, eine Landzunge in Thessalien, die den sogenannten pagasitischen Golf von der Ägäis abtrennt. Hier sollen die Argonauten seinerzeit in See gestochen, die persische Flotte unter Xerxes einmal aufgelaufen sein und ansonsten lebten hier die Zentauren. Heute ist hier tendenziell eher weniger los.


Statt Zentauren gibt es Wildschweine, die sich in den Eichenwäldern herumtreiben, die die Höhenzüge bedecken. Darunter: Olivenhaine und kleine Dörfer mit Steinhäusern und dann – das Meer.


Blick auf den pagasitischen Golf

In dieser Gegen sind wir seit mehr als einer Woche, machen nicht viel, erholen uns von der anstrengenden Zeit in Süditalien und klopfen uns auf die Schulter für die Entscheidung, schnell aus dem nervenaufreibenden Neapel abgehauen zu sein.


Also klar, auch in griechischen Städten gibt es Autos und Motorräder, aber sie rasen und hupen nicht. Es gibt Menschen, in Athen ja sogar eine ganze Menge, über 3 Millionen, aber sie brüllen sich nicht gegenseitig an. Und auch nicht non-stop in ihre Handys. Es gibt Müll, aber er wird nicht auf die Straße geworfen sondern in Mülleimer. Und die werden geleert. Wir können endlich wieder aufrecht die Straßen entlang gehen, müssen weder starr auf den Gehsteig vor uns blicken, um den nächsten Hundehaufen auszuweichen, noch angespannt den Verkehr um uns herum beobachten, denn hier möchte uns niemand niedermähen. So gut wie jeder spricht Englisch, sogar im entlegenen Hinterland-Supermarkt kann man sich selbst an der Käsetheke noch verständigen.


So sitzen wir also inmitten von Oliven mit Blick aufs Meer, essen Feta aus der 1 Kilo-Box, trinken hin und wieder mal ein Schnäpschen mit den Nachbarn (also ich) und betätigen uns ansonsten nur virtuell produktiv (also Lutz). Es ist das Paradies und das möchten wir so schnell nicht mehr verlassen.


War da nicht noch was?


Ach ja, das Impfen. Also mal sehen. Vielleicht kommen wir hier ja ganz entspannt ans Ziel. Ich werde berichten.



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