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Krank auf La Palma

Von einer Kanareninsel auf die andere kommt man am schnellsten mit den kleinen Propellermaschinen der hiesigen Airline “Binter”. Wir sitzen darin wie in einem Bus in Vierer-Reihen und zuckeln an Teneriffa vorbei, wo die Spitze des Teide aus den Wolken aufragt. Nach einer halben Stunde Flug landen wir schon auf La Palma.





Santa Cruz


Santa Cruz ist die Hauptstadt La Palmas, sehr übersichtlich, wie die gesamte Insel. Alles ist fußläufig erreichbar, aber viel los ist hier nicht. Bedeutsam war das Städtchen zuletzt im 16. Jahrhundert, als der komplette Überseehandel zwischen der alten und der neuen Welt über seinen Hafen abgewickelt wurde. Im 17 Jahrhundert ging das Privileg auf Teneriffa über, und damit war es vorbei mit dem Publikumsverkehr auf La Palma, und das bis zum Eintreffen der Touristen in den 1970er Jahren.









Zu deren Freude hatte man seit dem 16. Jahrhundert nicht mehr viel Neues gebaut, daher erfreut Santa Cruz mit vielen hübschen Holzbalkonen im Kolonialstil und einigen überdimensionierten Kirchenbauten und Konventen. Das Franziskanerkloster mit seinen hübschen Innenhöfen beherbergt heute das Inselmuseum mit einer Menge eingelegter Tiere und tollen Blicken auf die nahen Berge.










Um an die glorreiche Vergangenheit zu erinnern, hat man einen Nachbau von Kolumbus´ Caravelle mitten in die Innenstadt gestellt, in der sich das Schifffahrtsmuseum befindet.





Kritisches Wanderklima


Wir sind ja zum Wandern hier, denn dafür ist die Insel schließlich berühmt. In der Inselmitte türmt sich die Caldera eines erloschenen Vulkans bis auf 2400m auf, und da die Insel sehr klein ist, ist sie damit auch größtenteils sehr steil. Über zahllose Serpentinenwege kann man auf ihr herum steigen und ist dabei meist im Wald unterwegs, denn La Palma ist die grünste Insel der Kanaren.


Wir erleben sie im Februar außerdem als überaus regnerisch und neblig. Stundenlang steigen wir an einem steilen Hang durch den Nebel hinauf, um an unserem Ziel, einem angeblich wundervollen Aussichtspunkt, nur in wabernden Nebel und Wolken zu blicken. Es regnet und wir sind durchnässt. Wir steigen mehrere Stunden ab und versuchen uns in unserer Ferienwohnung aufzuwärmen.









Doch hier ist es so wie auf allen kanarischen Inseln: Heizungen gibt es keine. Isolation auch nicht so richtig. Also ist es kalt und zugig. Und weil der Karneval mittlerweile auf der Insel wütet, bleibt uns am Ende nur noch das einzige Hostel der Insel als Unterkunft, alles andere ist ausgebucht. Und hier glaubt man an konstantes Lüften (Corona steckt noch allen in den Knochen), und sämtliche Aufenthaltsräume sind zum Innenhof offen, vulgo ist man dort immer im Freien, aber viel mehr als 15 Grad zeigt das Thermometer selten an.


Zwei Wochen krank


Wir tun also das Vernünftige und werden krank. Schlapp und erkältet wickeln wir uns in alles Isolierende und rollen uns auf den Hostel-Stockbetten zusammen. Draußen feiert die Meute den Karneval, und das sogar mit aufregenden Salsa-Outfits, aber uns lässt es im wahrsten Sinne des Wortes kalt.


Mit dem Auto fahren wir hinauf zum höchsten Punkt der Insel und stolpern an der Caldera entlang. Hier oben gibt es außerdem noch eine Ansammlung von Observatorien, in denen von 31 Ländern Forschung betrieben wird. La Palma ist ein Sternenpark, in der Höhe ist die Luft klar und Lichtverschmutzung gibt es kaum, denn die Insel reguliert streng, welche Lichter in der Nacht noch scheinen dürfen. Straßenlaternen sind beispielsweise allesamt nach oben abgedunkelt, um nicht in den Himmel zu strahlen.








Bevor es zu dunkel wird, fahren wir also schnell wieder hinab, machen aber noch einen Abstecher zur berühmten Piratenbucht, wo sich ein kleines Dorf an einer steilen Felswand unter einem Felsüberhang und von Landseite kaum zugänglich duckt.




Der steile Fußweg zum Dorf bringt mich an den Rand meiner grippalen Leistungsfähigkeit. Beim Aufstieg bin ich so langsam unterwegs, dass wir im Dunkeln zurückfahren müssen. Damit erschließt sich uns auch das Konzept des Sternenparks noch einmal ganz intim. Es ist dermaßen stockdunkel, dass man die Serpentinen der Küstenstraße kaum sehen kann. Am Ende sind wir richtig froh, als wir heil in unserem zugigen Hostel ankommen.


Frische Lava


Ganz entgegen der Beschreibung ist La Palma ja eigentlich ein Hotspot, also zumindest in Sachen Vulkanismus. Von September bis Dezember 2021 brach der Cumbre Vieja-Vulkan aus und verschüttete mehrere Dörfer und unzählige Bananenplantagen. Zum Glück kam dabei kein Mensch ums Leben, aber die Zerstörung war enorm und nahm vielen Haus, Hof und Lebensgrundlage.





Die Lava floss vom Berghang des Vulkans hinab zum Meer und unterbrach das Leben auf der Westseite der Insel. Mittlerweile dürfen wir an den erkalteten Lavastrom heranlaufen, dürfen ihn aber nicht betreten. Zudem darf man das Lavafeld nur auf einem notdürftig planierten Fahrweg durchqueren, man darf aber auf der Fahrt nicht anhalten und sollte die Fenster wegen der noch ausströmenden Gase geschlossen halten.



Es ist eine gespenstische Fahrt durch eine völlig verwüstete Fläche, wo nichts mehr an die Häuser, Farmen und ganze Dörfer erinnert, die hier gestanden haben. Am Rand des Lavastroms kann man mit leichtem Gruseln erkennen, wo die Lava langsam ins Erdgeschoss der Häuser geflossen ist und just beim Austritt aus dem Fenster erstarrt ist. Die meisten Häuser sind komplett verbrannt, aber von einigen wenigen ragen die ersten Stockwerke noch über der zur Basaltstein erstarrten Lava im Erdgeschoss auf.


Genesung


Wir hängen unsere Wanderpläne an den Nagel. Nach dem Karneval mieten wir uns wieder in Santa Cruz, in einem solide isolierten Hotel ein und genesen ganz langsam mit vielen warmen Getränken und meist im Bett. Aber immerhin mit Blick aufs Meer.




Hier sammeln wir unsere Kräfte für den nächsten Abschnitt unserer Kanarentour: El Hierro, die kleinste, die westlichste und die unbekannteste Kanareninsel.


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