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  • AutorenbildSophie

Wo die wilden Tiere wohnen

In Dalyan sind wir fast überall von Tieren umgeben. Im Schilfgürtel des Flusses nisten unzählige Vögel, im Wasser warten die Fische auf Brotreste und hört man es bei Sonnenuntergang klatschen, denn sind sie es, die nun munter aus dem Wasser springen. Ziegen, Kühe und Esel streifen über die Felder und Reptilien rascheln durch die trockenen Blätter am Boden, Eidechsen, Schlangen und unzählige gemütliche Landschildkröten.



Wir laufen ihnen überall über den Weg, mit ihren braunen Panzern auf braunen Grund kann man sie auch schnell übersehen, und dann überrascht man sich gegenseitig. Die Schildkröte zieht dann ihren Kopf ein und lässt ein Fauchen hören. Gibt man ihr aber ein paar Minuten Zeit, um sich von dem Schreck zu erholen, dann kommt der Kopf wieder hervor und sie stakst behäbig weiter.


Auch im Wasser tummeln sich die Schildkröten, die kleinen wie die großen. Für Caretta caretta (die unechte Karettschildkröte) ist Dalyan im Mai und Juni der place to be, denn es ist Zeit für die Paarung und Eiablage am langen und geschützten Iztuzu-Sandstrand.

An diesem Strand vertragen sich Menschen und Schildkröten sehr gut. Die Badenden konzentrieren sich an den zwei Enden des Strandes, die Mitte (bei 5 km Strandlänge ein wahrhaft weites Feld) bleibt frei für die Tiere. Man darf auch nicht überall liegen, um mögliche Nester nicht zu zerstören und nachts ist der Aufenthalt am Strand verboten, denn dann legen die Schildkröten ihre Eier ab und später schlüpfen die Kleinen und laufen zum Meer. Dalyan ist weit entfernt und es gibt hier keine permanente Bebauung und kein künstliches Licht, das die jungen Schildkröten in die Irre führen könnte, also eigentlich alles ideal.


Iztuzu Beach - der schier unendlich lange Sandstrand von Dalyan

Caretta caretta in wirtschaftlichen Nöten


Nur leider kommen sich wirtschaftliche Interessen und diese urtümlichen, langsamen Tiere auch hier in die Quere. Sie verfangen sich in Netzen und Angelschnüren, schlucken Plastiktüten, oder werden im Fluss oder in der Nähe des Strandes von den Ausflugsbooten überfahren. Zwar gibt es einen speziell für diese Boote entwickelten Schutz für die Schiffsschraube, eine Art wasserdurchlässigen Käfig, der die Schildkröte abhält, angesaugt und von der Schraube verletzt zu werden, doch die wirtschaftliche Notlage der Menschen führt zur Depriorisierung des Tierschutz.


Wie das? Die Türkei erlebt gerade eine Inflation erstaunlichen Ausmaßes, etwa 70% beträgt die Inflationsrate, hauptsächlich getrieben durch die ungewöhnliche Geldmarktpolitik des politischen Personals. Der Lira kann man bei ihrer Entwertung förmlich zusehen, als wir in der Türkei ankamen gab es für einen Euro noch 15 Lira, einen Monat später sind es schon ca. 18 Lira (und vor einem Jahr waren es noch 10 Lira, die Fieberkurve steigt also rasant). Durch den Ukrainekrieg wird zusätzlich alles teurer vor allem der Sprit und hier sind wir also bei den Booten direkt angelangt: der Schildkrötenschutz führt zu erhöhtem Treibstoffverbrauch und den kann sich kaum noch jemand leisten. Und somit leidet auch Caretta caretta unter der Weltwirtschaft.


Zum Glück gibt es eine über Drittmittel finanzierte Auffangstation für verletzte Tiere am Iztuzu Strand bei Dalyan. Das größtenteils freiwillige Team sammelt die Schildkröten ein, verarztet sie so gut es geht und pflegt sie so lange, bis sie wieder ins Meer entlassen werden können.



Die Rettung eines älteren Herren


Als wir an einem sonnigen Tag mit dem Kayak die Küstenlinie rund um Dalyan erkunden, glauben wir zunächst dass wir großes Glück haben. Ein Kaventsmann von einer Schildkröte kommt uns an der Wasseroberfläche entgegen und paddelt gemächlich in unsere Richtung. Sie passiert uns in den unseren Kayaks aus so kurzer Entfernung, dass wir die Angelschnur sehen können, die sich um ihre vordere Flosse gewickelt hat. Auch unser Kayak-Guide ist nun sehr beunruhigt. Da er Erfahrung mit dem Verhalten der Meeresschildkröten hat, ist ihm klar, dass hier etwas nicht stimmt. Nicht nur die Angelschnur gehört offensichtlich nicht hier her, auch sollte das Tier längst abgetaucht sein.



Caretta caretta ist scheu und hat wenig Lust auf Begegnungen mit Booten jeglicher Art. Wir folgen der Schildkröte, die stets an der Wasseroberfläche bleibt und langsam auf das offene Meer zusteuert. Auch wenn wir ihr nahe kommen, taucht sie nicht ab. Uns wird also klar: sie kann es nicht. Unser Guide ruft die Auffangstation an und wir zirkeln um die Schildkröte herum, um sie nicht aus den Augen zu verlieren und zu verhindern, dass sie irgendwo in den Weiten des Mittelmeers verschwindet, wo sie unweigerlich verhungern muss, da sie nicht tauchen kann.


Nach etwa einer halben Stunde zähen Kreiseziehens um die sicherlich schwer gestresste Schildkröte erreicht uns das Boot des Turtle Hospitals. Zwei kräftige Herren machen nun kurzen Prozess mit ihrem zukünftigen Patienten: die zappelnde, nach den Helfern schnappende Schildkröte wird mit einem Käscher und größter Mühe an Bord gezogen, dann rauschen die Helfer ab. Wir bleiben etwas erschöpft zurück, paddeln dann rasch ans Ufer zurück und nehmen uns vor, unseren Schützling am nächsten Tag zu besuchen.

Es wird ein Freudentag, denn als wir am Tag darauf in der Auffangstation ankommen, kann „unsere Schildkröte“ bereits wieder in ihrem Tank abtauchen. Wir erfahren, dass es sich um ein männliches Tier handelt, das mindestens 50 Jahre alt ist und ordentliche 60 Kilogramm wiegt, das älteste Tier der ganzen Station. Er habe schon wieder gefressen, was ein gutes Zeichen sei und werde nun auf eine baldige Rückkehr ins Meer vorbereitet.



Wildlife im Hotel


Tiere sind an der türkischen Südküste wirklich omnipräsent, die wilden wie die domestizierten. In unserer Unterkunft in Dalyan gibt es mindestens vier junge Katzen, die jedes Frühstück belauern, dazu noch zwei kurzbeinige Hunde, von denen einer den ganzen Tag auf dem Hotelgelände verbringt. Fistik (auf Deutsch: Pistazie) ist der Name dieser kleinen Knalltüte, die den ganzen Tag nur spielen will und einem nicht von der Seite weicht, wenn man sich auf dem Gelände bewegt. Fistik stiehlt allerdings auch gerne Sandalen und kaut auf ihnen herum, fast wäre ihm mein einziges Paar zum Opfer gefallen.



Die kleinen Schuhe der etwa zweijährigen Tochter der Hotelinhaber zerkaut er an einem Nachmittag zur Unkenntlichkeit. Die Hotelchefin kann nur noch die Fetzen bergen und ich denke schon, dass sie ihrem Hund nun den Marsch blasen wird. Aber es stellt sich heraus: Fistik ist nicht ihr Hund, überhaupt gehört keines der Tiere hier wirklich zum Hotel. Es ist einfach nur üblich, dass alle Haustiere den ganzen Tag frei in der Stadt herumlaufen und sich ihren Aufenthaltsort selbst aussuchen. Für Fistik war das einige Tage das Hotelgelände. Dann verschwindet er für einige Zeit, um erst nach Lutz Ankunft wieder aufzutauchen und erneut Unruhe zu stiften.


Ich finde es bemerkenswert wie Menschen und Tiere hier jeweils ihrer Wege gehen und wie auch Haustiere ihre Tage frei gestalten dürfen. Es stört sich niemand an den vielen Katzen und Hunden, die überall im Stadtgebiet unterwegs sind. Die Hunde sind glücklicherweise alle sehr entspannt und freundlich, kein Vergleich zu den Wachhunden auf den ländlichen Grundstücken. Die Stadthunde sind fast alle fett von etwas zu viel liebevoller Zuwendung, sie liegen den größten Teil des Tages irgendwo schlafend in der Gegend herum, gerne auch mitten auf der Straße, wo ihnen Fahrzeuge geflissentlich ausweichen (der Hund zuckt dabei nicht einmal mit der Wimper, wenn ihn die Autos haarscharf umrunden). Selbst in Großstädten wie Antalya sind die Hunde ein fester Bestandteil des Straßenbildes, sie spazieren durch die Parks und liegen im Schatten auf Straßen und Plätze, gerne natürlich in der Nähe von Kebap-Lokalen, während die Katzen eine größere Affinität zu den Fischlokalen zeigen. Abfälle und Tellerreste bekommen sie zuverlässig gefüttert.



Offensichtlich bemüht man sich, auch die halbwilden freilebenden Hunde ohne Besitzer hin und wieder einzufangen und die Männchen zu kastrieren, sie tragen dann einen Knopf im Ohr. Den Katzen werden überall kleine Katzenhäuschen aufgestellt und an vielen Straßenecken stehen zusätzlich Näpfe mit Futter oder gar richtige Futterstationen, an denen sich die Tiere bedienen können.



Für den Tierliebhaber ergibt sich dadurch der Vorteil, jederzeit in Kontakt mit freundlichen Katzen und Hunden zu kommen. Hat man sie einmal gefüttert, wird man sie ohnehin nicht mehr los. Eine äußerst selbstbewusste Katze kletterte sogar über das Dach und überraschte uns in unserm Dachgeschosszimmer in Kaş. Sie betrachtete die Räumlichkeit offensichtlich als ihr Revier, machte es sich auf dem Sofa bequem und wollte sich Zugriff zu unseren Snacks verschaffen. Da sie im daraus resultierenden Konflikt mit uns etwas garstige Züge zeigte, mussten wir sie aber am Ende aus ihrem Reich verbannen. Mit giftigem Blick strich sie auf dem Balkon herum, bevor sie es schließlich bei den Nachbarn versuchte.



Manchmal werden aber auch die eigensinnigen Straßenkatzen von plötzlichen Anfällen überbordendes Liebesbedürfnisses erfasst, dann kommen sie aufgeregt auf einen zugelaufen und rufen schon von weitem. Steht man, umstreichen sie die Beine und fordern Streicheleinheiten. Sitzt man allerdings schon, dann springen sie einem direkt auf den Schoß, um sich dort gemütlich breitzumachen und sich ausgiebig kraulen zu lassen. Dann kann man sich etwas eine halbe Stunde nicht mehr vom Fleck bewegen, eventuell auch länger, wenn die Katze vor lauter Gemütlichkeit einschläft. Ist die Session aus der Sicht der Katze beendet, springt sie unvermittelt auf und geht ihrer Wege. Man selber bleibt zurück mit genügend Haaren auf der Kleidung um eine zweite Katze zu basteln.



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